Unterwegs mit 140 Sachen. Der Tacho am Anschlag und das Pedal eins geworden mit der Fußmatte.
Der Wind pfeift und die Sonne blendet trotz Sonnenblende und Lichtschutzfaktor 50+. Ein heißer Sommertag, irgendwann Ende August in Deutschland.
Die automatische Schaltbox leistet Großes und schiebt die rasende Kugel nach vorne. Es gilt, den Blechkolonnen zu entfliehen und auf schnellstem Weg den Wagen zu wechseln.
Raus aus dem stressigen Alltag, raus aus unserem Alltagswagen, raus aus dem Smart, der durch Brabus Mapping überraschend performt und den Asphalt aufwirbelt, wie ein Stier in der Arena.
Heute sind wir in Mainz bei Markus Kestner vom Entenkult. Denn Markus hat ein Herz für die kleinen Franzosen. Für Enten und auch für Renaults. Vor allem mag er den R4 sehr gerne. Und das tun wir auch. Und genau darum soll sich auch diese Geschichte drehen. Denn der R4 begeistert uns schon seit mehreren Jahrzehnten. Unglaublich, oder?
Dabei war es einst der Plan der pfiffigen Franzosen, einen kompakten und überaus praktischen Kleinwagen auf die Straße zu bringen, der Studenten, Familien und sogar später auch die spanische Polizei schnell und sparsam ans Ziel bringen sollte.
Genau 55 Jahre nach der Präsentation auf der IAA im August 1961 sitzen wir also in diesem einstigen Volkswagen und schauen uns ein bisschen um.
Der kleine Franzose hat eigentlich so ziemlich keinerlei Ausstattung. Dafür fehlt aber auch überraschend wenig. Natürlich dürfen sich die Jüngeren unter uns nun nicht wundern, dass hier weder elektrische Fensterheber noch ein Radio an Bord sind. Auch sieht es mit klassischen Bedienelementen, wie Türgriffen oder Fensterhebern etwas mau aus.
Dafür ist der Renault - typisch Franzose - randvoll mit Innovationen, die seinerzeit keiner zu bieten hatte. So ist er, wie wir alle wissen, der erste Wagen seiner Klasse mit 5 Türen. Außerdem lässt sich seine Rückbank mit nur zwei Handgriffen sofort komplett flach umlegen. Vermutlich ist das auch der Grund, warum sich so viele an die Zeit mit dem kleinen R4 erinnern. Oder erinnern sie sich vielleicht nur an so manch abenteuerliche Nacht mit Hilde oder Ann-Sophie auf der Matratze, die man kokett in den Kofferraum geworfen hatte? Man weiß es nicht. Schließlich verwimmt jede Erinnerung jedes Mal ein bisschen mehr, je häufiger man sie erzählt. Aber das macht ja auch rein gar nichts. Wichtig ist, dass wir uns erinnern. Ob an die guten Seiten des Renault, oder an die Geschichten, die wir rund herum erlebt haben. Wir lieben ihn einfach. Um so schöner ist es, wenn wir mal wieder einen sehen oder noch besser, mal wieder einen fahren.
Und genau das tun wir gerade.
Wir sitzen in sehr bequemen Sitzen, die natürlich keinerlei Seitenhalt bieten. Wir drehen an einem sehr dünnen Lenkrad, das natürlich keinerlei Unterstützt hat und wir benutzen das Gas und die Bremse, die auch eher nur in der Theorie vorhanden sind. Aber das macht rein gar nichts. Das ist auch nicht so wichtig. Denn, wie immer wenn man mit einem Auto aus dieser Zeit unterwegs ist, geht es um das Genießen und um die volle Aufmerksamkeit, die man durch diese simplifizierte Art der Fortbewegen der Natur und der Umwelt entgegen bringt.
Wir fahren vorbei an Pferdekoppeln und hören die Vierbeiner wiehern. Wir passieren wunderschöne Landstraßen und schauen den Gräsern dabei zu, wie sie sich langsam im Wind von links nach rechts bewegen. Wir strecken unsere Köpfe aus dem Fenster, als wir an den Freilandhühnern vorbeiziehen, die hier jeden Tag neue Eier legen. Was für ein Erlebnis. Das hat so gar nichts damit zu tun, dass man den Drang verspürt, die Technik ausreizen zu wollen, um an seine Grenzen zu gehen. Sie gar zu überschreiten liegt uns in diesem Moment absolut fern. Nichts, aber auch gar nichts kann uns davon abhalten uns all dem hier hinzugeben. Wir wollen nicht rasen, wir wollen auch nicht die Kurven schneiden oder hart ankern. Wir wollen den kleinen Motor geduldig seine Zeit geben und wir wollen spüren, was dieses Auto alles leistet.
Einzig ist es der Schalthebel, der etwas mehr Beachtung braucht: Die berühmte Revolverschaltung! Oh was für eine Freunde. So ragt der Schalthebel nicht meterhoch vom Bodenblech zum Dach, sondern schaut kurz und sportlich aus der Mittelkonsole heraus. Zum Schalten muss man also lediglich am Schalthebel rupfen, oder ihn nach vorne drücken. Das macht auch nach über 50 Jahren noch Spaß! Wirklich witzig und absolut nicht nachvollziehbar, was sich die Ingenieure dabei gedacht haben. Aber das macht eben den Charakter aus und zeigt, dass es sich doch immer wieder lohnt in so einen alten, kleinen Wagen zu steigen. Wir können das auf jeden Fall nur empfehlen.
Und vielleicht macht es ja doch auch ein wenig süchtig, so dass man sich selbst einen R4 zulegt. Und sei es nur dafür, um mal kurz im Elsass einkaufen zu fahren. Mit Trommelbremsen und 80 km/h. Dafür aber mit ein paar gut duftenden Leib Käse und einigen Kisten Wein auf der Rückbank.