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Renault R19

Unser Alltagseisen Dauertester

Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.

Doch noch schöner ist es, wenn selbiger komplett in die Hose geht.

Nur so passiert es, dass man Frankreichs Kompaktklasse miteinander vergleichen kann.
In diesem Fall Renualt R19 aus den frühen 90ern gegen einen Peugeot 207 der iPhone Generation.

Draußen tobt der medial gefürchtete Jahrhundertwinter, hervorgerufen durch Klimawandel, Glühbirnen und Elektrosmog. Grüne Umweltplaketten sollen das Wetter bei Laune halten. Doch allem zum Trotz schneit es pausenlos vom Himmel und die winterliche Pracht taucht selbst den letzten Flecken deutsche Erde in wundervolles Weiß.
Selbst Abschleppdienste und die nationale Schneepflugugarmada werden nicht Herr der Lage. Am Flughafen und bei der Deutsche Bahn ist mehr denn je mit Verspätungen zu rechnen. Konnte ja keiner ahnen.
Was also bleibt dem gediegenen Testfahrer in einer solch ausweglosen Situation? Im Grunde nur die sofortige Flucht ins bayrische Outback.
Nicht aber mit einem Pickup mit Doppelbereifung und Seilwinde, sondern selbstbewusst mit Renault 19, Baujahr 1992, ausgestattet mit frischem Scheibenspritzwasser und feinster Goodyear Bereifung auf sportlichen 13 Zoll Felgen - selbstredend aus Stahl und mit stilechter Patina.
Die Heizung heizt hervorragend, die Wischer wischen und jeglicher Schneeberg wird gekonnt gemeistert. Mehr Auto braucht wirklich niemand und aus ganz ökologischem Gesichtspunkt gibt es fast nichts Besseres.
1.7 Liter Hubraum verbrauchen sparsame 6,9 Liter, um die gewaltigen 90PS auf die Straße zu bringen. Bei einem Gewicht von unter 1000 Kilo wirklich nicht schlecht.

Elektrische Fensterheber, ABS, Servolenkung, Zentralverriegelung mit Schlüsselfernbedienung, Scheibenbremsen an beiden Achsen, einzeln klappbare Rücksitze, Kopfstützen und als Sonderausstattung sogar noch Klimaanlage und Tempomat.
Was sich wie ein aktuelles Standart Set-Up liest, gehörte schon damals zum guten Ton und zeigt wieder mal auf, was zu den wirklich notwendigen Dingen gehört und was eben nicht.
Doch eine dezente kleine Warnleuchte im hübschen und mit Leuchten übersäten Cockpit bringt mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Der rote Baron sagt mir, dass die Stromversorgung sich nicht ganz im Idealzustand befindet und rät somit zu sofortigem Stillstand.
Erfahrungsgemäß ist die Lichtmaschine kurz vor dem Exitus. Keine gute Basis um damit noch weitere 180km zu fahren. Der rettende Rasthof Aurach auf der verschneiten A3 spendet Trost und heiße Schokolade.
Nachdem der über Umwege erreichte ADAC das treue Gefährt kurzerhand in einer Nähe gelegenen Werkstatt abgelegt hat, befinde ich mich nach einer Taxifahrt in der SIXT Basisstation in Erlangen.
Dort überreichen mir zwei nette Damen einen eleganten Klappschlüssel und ich gehe runter in die Tiefgarage. Ein kurzen Piepen und das Blinken signalisiert mir:
Ich bin von nun an ein Peugeot Fahrer auf Teilzeit.
Der 207 ist in hellem grau und mit knapp über 16.000 km bereit für die Fahrt in den Bayrischen Regenwald. Glücklicherweise, und nicht wie der Taxifahrer vermutet hatte, mit Winterreifen, vollem Tank und eingefrorenen Spritzwasser.

Ein engagierter SIXT Mitarbeiter hatte wohl voller Tatendrang reines Quellwasser in den Wischwassertank gefüllt. Ein Genie!
Setzt man sich erstmal hinter das in jegliche Winkel verstellbare Lenkrad, fallen einem zunächst die weichen und guten Seitenhalt bietenden Sitze auf.
Ein Feature dass die rote Rakete aus Renaults Ahnengalerie ebenfalls besitzt. Allerdings kann der R19 mit einer in der Neigung verstellbaren Kopfstütze und den bequemeren Sitzen punkten.

Als der kernige Motor anspringt, lauscht man dem dezenten Nadeln und Röcheln, dass das 1.4 Liter VTI Triebwerk von sich gibt. Peugeot verspricht sanftes Ansprechverhalten und einen Minimalstverbrauch. Ersteres für die angepeilte Zielgruppe sicher nicht verkehrt. Letzteres bei dem mir vorliegenden Exemplar zuerst nicht wirklich glaubhaft.

Der kleine Franzose ist ein typisches Opfer des Downshiftwahns. Wenig Hubraum bei maximale Leistung und niedrigstem Verbrauch. Erst möglich wird dies durch eine moderne Vierventiltechnik mit variabler Ventilsteuerung (Blabla). Hightech, wunderbar verpackt um Rentner, Hausfrauen und Sparfüchse den Weg zum Bankkredit zu vereinfachen.
Sollte man es aber ein klein wenig eilig haben, den Wagen etwas „sportlicher“ und auf nicht gerader Strecke bewegen, so stellt man eins sehr schnell fest :
Der Wagen braucht eines sehr schnell und sehr viel. Drehzahl.
Ein Wort dass den Sportler lechzen und den Pfennigfuchser weinen lässt. Auf der Stelle.

Drehzahl ist, wenn der Zeiger auf dem Drehzahlmesser nach oben schnellt und sich die Geschwindigkeit im besten Fall exorbitant verdoppelt. Aber warum tut man sich und dem Wagen so etwas an?
In unserem Fall hat das folgenden, bei modernen Kleinhubern sehr verbreiteten, Grund:
Wir wollen flott vorankommen, können dies aber in der aktuellen Gangwahl nicht tun.
Im Beispiel ist das der 5. Gang der mit den verschneiten bayrischen Bergen überfordert ist. Fällt also die 4. Gangstufe in die engere Wahl, so wandert die Drehzahl auf 4000 Touren. Der Verbrauch zeigt im Falle des ungepflegten SIXT Fahrzeuges 16,4 Liter an.
Kommt man allerdings in den Bereich, in dem das Gas vollständig gelockert und die Geschwindkeit auf 50 gedrosselt wird, ist der angegebene Verbrauch tatsächlich zu schaffen. Dazu aber später mehr.

Früher war aber nicht wirklich alles besser und Hubraum nicht immer das wichtigste der Welt. Denn so ist zum Beispiel Peugeots geschwindigkeitsabhängige Servolenkung ein echter Traum auf langgestreckten Autobahnkurven und technische Finesse der Neuzeit. Einzig das digitale Feedback und die nicht ausgewuchteten Reifen sind ein merkbarer Abstrich.
Schalter und Knöpfe liegen allesamt an gewohnter Stelle und arbeiten prächtig. Die Gangwahl braucht jedoch eine kräftige und präzise Hand im hakeligen Getriebe.
Ist man entspannt am Zielort angekommen um den Tank mit neuem Kraftstoff zu versorgen, so mangelt es selbst dem geübten Fahrer an einer entsprechenden Rundumsicht.
Der kleine Peugeot misst mit seinen exakt 4045 Millimetern deutlich weniger als der 4156 Millimeter lange Renault R19 - die Sicht nach vorne und hinten ist modern gehalten und entsprechend gering. Ein Update auf Blondinenpiepser ist für den sparsamen Stadtgebrauch für den Gelegenheitsfahrer also durchaus zu empfehlen.

Aber jetzt, Hand auf Herz. Die kleine Kugel mit dem silbernspiegelnden Löwen auf der Front ist wieder am Zielort abgegeben und man mag es kaum glauben, der kleine kann auch anders. Habe studiert, probiert und kapiert wozu der 207er wirklich gut ist. Er fährt sich absolut neutral. Keine Überraschungen, keine plötzlichen Marotten. Einsteigen und fahren. Mehr aber auch nicht. Und: wenn man es darauf anlegt, auch wirklich sparsam. Die selbe Strecke, auf der ich mich oben beschrieben noch über den recht hohen Verbrauch mokiert habe, habe ich nun mit ökologisch grünem Daumen entlang im LKW Wind- schatten mit niedrigster Drehzahl und ständigem Ausrollen zurückgelegt. Nach 200km Windsurfen, Abwärtsrollen und Motorbremse stand eine kleine, aber feine und irgendwie erschreckende Zahl auf dem Display: 5,3. In Worten macht das noch nicht mal eine Handtasche Sprudelwasser, dass sich der Knirps bei umweltbewusster Fahrweise genehmigt.
Ein klasse Wert und vor allem unter den von Peugeot angegebenen 5,9 Liter verschönten EU-Verbrauchs. (Anmerkung aus der Red.: An dieser Stelle müssen wir zugeben, dass der Testbericht bereits aus dem Jahre 2009 ist.)
Abschließend ist zu sagen, dass im direkten Vergleich sich in der 20 jährigen Entwicklung französischer Autos einiges getan hat. Der Peugeot ist ein gutes Auto, das einen sorgenfrei von A nach B bringt. Zielgruppenorientiert in der Innenstadt ziemlich unübersichtlich, dafür aber ohne Überraschungen. Ein guter eingetragener Turnschuh eben, jedoch ohne jegliche Emotion und Anziehungskraft. Brot und Butter ohne Wenn und Aber.

Gute Fahrt mein treuer R19, wo immer du nun sein magst.

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