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Die Blase platzt

Oder?

Der Oltimermarkt boomt. Es gibt kaum ein Fachblatt, das nicht über schicke Schlitten und flotte Flundern berichtet.
Hipsterbärte und altes Leder passt genau so gut zusammen wie gestresste Banker, die in alten Karossen einen Hauch von alltäglichem Lifestyle verspühren wollen.
Jeder will irgendetwas mit Vintage machen. Heritage ist das neue große Ding und neben Stinkediesel ist noch Platz für eine Kat-loses Verführung.

Schafft man es auf der nächsten Party einmal nach dem üblichem Smalltalk in ein ordentliches Gespräch verwickelt zu werden, dann findet man meist - neben Tipps zum Wickeln und Streit über Kindergartenplätze - einen gemeinsamen Nenner: Altes Blech.
Jeder, aber auch jeder (gut, einigen wir uns auf fast jeden) hat ein Herz für automobiles Kulturgut aus den späten 60ern bis hin zu den mittleren 80ern des letzten Jahrhunderts.
Es gelingt oftmals, dass man sich auf zwei oder drei Fahrzeuge einigt, die dann aber auch jeder Teilnehmer dieses Gesprächs besonders hübsch findet.
Oftmals ist die Pointe aber die, dass einer der Herren längst einen Oldtimer fährt, der andere hingegen nur davon träumt. Früher hatte man so einen Wagen. Heute hätte man ihn gerne wieder. Oft sind aber Gründe dagegen gewichtiger als Gründe dafür. So ist der Wagen oft nicht familien- oder gar innenstadttauglich. Garagen sind schließlich nicht selbstverständlich und werden oft auch nicht als Notwendigkeit angesehen. Die Städte sind voll – die Plätze unter Laternen nicht besonders verlockend.

Das Thema ist aber da und wird nicht mehr nur als Randerscheinung angesehen. Menschen wollen den Spirit einer längst vergangenen Zeit erleben. Rauchen in der Öffentlichkeit. Die Hand im Schritt und den Fuß auf dem Gaspedal. Ungefiltertes Verlangen nach schmelzendem Gummi. Szenen die man nur noch aus Filmen von Clint Eastwood kennt, sollen auf einmal wieder real werden. Der urbane Großstadtcowboy wartet auf seinen Einsatz auf dem Spielfeld der ewigen Helden.

Aber vorsichtig. Die Stilikonen von damals sind heute nicht mehr zum Greifen nahe. Entweder offensichtlich dem Rost zum Opfer gefallen oder vom Geschäftssinn vieler Garagengoldschnüffelhunde ins Visier genommen.
Selbst der Wert eines Käfers oder eines VW Buses steigen vom Bordstein bis zur Skyline. Das sind Szenarien, die jedem Kennen der Szene keine Falte auf der Stirn beschert. Dem gemeinen Amateur hingegen treibt es die Schweißperlen über den Rücken.
Es ist wenig Verständnis dafür da, dass ein teures Auto oft der bessere Kauf ist.
Gerne werden offensichtliche Schnapper am Ende des Tages zum Grab der Spardose samt Inhalt.

Und so wundert es nicht , dass so mancher Romantiker von einem klassischen Scheunenfund oder einem alten Grundstück einer längst verstorbenen Tante träumt, in deren Schuppen mehrere kaum gelaufene und gut konservierte Klassiker stehen – wartend auf einen Kuss. Bereit für den zweiten Frühling.
Aber die Scheunen sind leer und die Keller sind ausgeräumt. Kaum ein spektakulärer Fund scheucht Jäger und Sammler aus dem Haus. Bis auf wenige Ausnahme – erinnern wir mal an den Trödeltrupp Porsche – ist ein Scheunenfund mit einem Einhorn gleichzusetzen. Die Zeiten sind harte für jeden von uns.

Aber es gibt noch Hoffnung. Wer Porsche 911 und Pagode von seinem Wunschzettel streicht und einmal in die Nachbarländer schaut, der findet Alternativen in vielen Preisklassen.
Triumph, Renault und Fiat bieten spannende Projekte, die auf Treffen mehr Blicke auf sich ziehen als jeder /8.
Wer sich traut noch einen exotischeren Weg einzuschlagen, wird in Japan fündig. 70er Jahre Sportwagen von Toyota, Mazda und vor allem Datsun schlagen momentan ein wie eine Arschbombe vom 10er. Nippon ist auf dem Siegeszug und bewegt sich schneller, als irgendjemand bisher ahnen konnte.
Allen voran Toyotas 2000GT, der für über 1 Million gehandelt wird. Wenn denn mal einer angeboten wird.

Etwas gemächlicher geht es bei den Datsun Z Modellen zu. Die Coupés 240Z, 260Z und 280Z der Marke marschieren ordentlich voran und kennen nur eine Richtung. Steil nach oben. Ein gute erhaltenes Fahrzeug pendelt sich bei um 20.000€ ein. Tendenz weiter steigend.
Der Hype auf die Z Modelle reißt nicht ab und wird in regelmäßigen Abständen durch Filmstars, Customfirmen und Reportagen kräftig angefeuert.
Es scheint, als ist der Datsun Fairlady Z der japanische Mustang oder eine Antwort auf den Golf 1 GTI. Ein damals in immensen Stückzahlen produzierter Volksheld, der sich nun wie Phönix aus dem brennen Rost erhebt und laut um sich schlägt.

Galt man vor gut 5 Jahren als Datsunfahrer noch als Nischenfurzen, ist man heute ein Insider, der damals schon aufs richtige Pferd gesetzt hatte. Und das ohne wie Marty McFly im Sportalmanach zu blättern.

Die Zs haben ihren Weg aus dem Tal der Tränen zum Klassikerolymp geschafft, ohne sich dabei selbst zu verleugnen. Noch immer gelten sie als robuste und einfach zu beherrschenden Fahrmaschinen, die Leistung, Sportlichkeit und Eleganz bieten, wie kaum ein anderes Fahrzeug aus der Zeit und zu diesem Preis.
Trotz wachsender Präsenz behält der Datsun aber noch immer eine gewisse Sonderrolle als seltenes Fabelwesen, das fast jeder noch aus Matchboxs Zeiten kennt, kaum aber eines in den letzten Jahren in freier Wildbahn sah.

Das alleine erschüttert den Markt aber nicht im Geringsten. Viel mehr scheint aus Gründen der Sättigung die Blase allmählich aufzuhören zu wachsen. Von einem drohenden Platzen darf man aber noch lange nicht ausgehen. Stattdessen wird in der Fachpresse viel mehr von einer Stagnation gesprochen, die offensichtlich bei höherpreisigen Auktionen zu spüren ist.

Die Premiumliga scheint so langsam versorgt zu sein und echte Top-Fahrzeuge sind unter den Obersten aufgeteilt. Auch ist das Lottospiel mit Ferrari GTOs längst ein wenig in Vergessenheit geraten.
Es scheint vielmehr, als orientiert sich der Markt ein wenig um. Patina sticht Concours d'Elegance und Alltagshelden gewinnen mehr Ansehen als totrestaurierte, aber unfahrbare Museumsstücke.
Mercedes 124 und BMW E21 rücken mehr ins Rampenlicht als Flügeltüren und Kollegen. Es ist wieder vollkommen gesellschaftlich akzeptiert, seinen rostigen und ungewaschen Ascona auf der Straße zu parken oder seinen Golf 2 im Hof stehen zu haben. Idealerweise mit H-Kennzeichen. Natürlich.
Es geht nicht darum, den polierten Alfa im Wohnzimmer stehen zu haben. Vielmehr zählt die Echtheit der Geschichte hinter dem Altblech.

Niemand trauert der Holzvertäfelung des E-Types hinterher, den man als Kind hinter Glas gesehen hat. Doch jeder erinnert sich gerne daran, wie er damals auf dem Rücksitz des Buckelvolvos zur Schule gefahren worden ist. Und jeder hat noch den Geruch des Jettas in der Nase, den Opa so gemocht hat.

Weitere Alltagseisen

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