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Nissan Micra K10

Wieviel brauchst Du wirklich?

Weniger ist Mehr.

1986 muss ein gutes Jahr gewesen sein. Zwar waren Tschernobyl, die Explosion der US-Raumfährt Challenger und ein riesiges Fischsterben bedingt durch einen Großbrand in der Schweiz nicht unbedingt die Momenten des Ruhms, aber davon abgesehen muss es sich um ein sonniges und lebensfreudiges Jahr gehandelt haben.
Denn in genau diesem Jahr, es muss Sommer gewesen sein, entschied sich ein in Deutschland lebender Herr für seine Holde ein Fahrzeug japanischen Ursprungs zu ordern.

Ein gewagtes Unterfangen und zudem nicht gerade üblich. Die Nachbaren fuhren alle Opel, VW und die ganz mutigen sah man in einem kleinen Peugeot durch die Straßen schlendern, während oben genannter Herr nach zwei erfolgreichen Jahren unter japanischer Flagge sich dafür entschied ein weiteres Mal seinem lokalen Autohändler die Hand zu schütteln, um anschließend den Kaufvertrag zu unterschreiben.
Luxusausstattung, zwei Außenspiegel, geteilt umzulegende Rückenlehne, Ausstellstenster, Fünfgangschaltung, Radio.
Was sich anhört wie zukunftsweisende Raumfahrttechnik war bei den fernöstlichen Ingenieuren und Marketinggurus im Hause Nissan pure ernstzunehmende Gegenwart.

Aus dreimetersiebzig und unpackbare sechshundertneunzig Kilo Stahl bauten die Irren aus Yokohama einen Kleinwagen, der unter jaulenden Ford Fiaskos und hakeligen Polo Dieseln nicht so recht ins Bild passen sollte.

Der Markt war anscheinend nicht bereit für diese Laufruhe, diese knackige Schaltung und ein Fahrweg, mit dem man noch heute bis in die Mongolei fahren kann. Letzteres wird von ganz Wahnsinnigen jedes Jahr aufs neue unter den Blicken gieriger Pressejournalisten mit Wonne vollzogen.

All das jedoch war das Unwichtigste der Welt für den älteren Herren, der seine 17 Jahre jüngeren Maid doch schließlich nur mit diesem einzigartigen Geschenk beglücken wollte. Eine Schleife um die Spiegel, ein Herzchen aus Rosen auf der Motorhaube.
Dass die Dame solch ein Präsent nicht zu würdigen wüsste konnte nicht geschehen. Hoffnungslose Liebe auf den ersten Blick und so mancher leidenschaftlicher Kuss war gewiss.

Was aber keiner ahnen konnte - und hier beginnt die tragische Geschichte - war die schwindende Gesundheit der jungen Dame. Zwar war sie dem Anschein nach ein zartes Pflänzchen voller Sonnenschein und Glück, doch innerlich brach sie mit jeden Tag ein bisschen mehr in sich zusammen.
Kein Geschenk der Welt, keine Liebkosung, kein Kurzurlaub in den Süden konnte sie noch aufmuntern. Sie verkümmerte innerlich bis zum Ende ihrer Tage nur noch ein stummer tropfen Elend von ihr über war.
Der Hausarzt, ein alter Freund der Familie, schrieb im Nachgang, es wäre ein Tumor gewesen, der sie dahinraffte. Ihr Mann aber wusste es besser, es war der Neid der Nachbaren auf ihr solides Fahrzeug, den Nissan Micra, der ihr zu viel geworden war.

Was aber konnte er tun? Auch ihm würde dies Schicksal nicht erspart bleiben. Keiner würde ihm das Glück gönnen . Niemand steht gern mit rauchendem Motor am Straßenrand, während unser Freund lächelnd und glückselig durch die Alleen fährt.

Er kannte keinen anderen Ausweg, war er nun doch auch aus dem Alter heraus noch selbst das Volant zu betätigen. Die städtischen Regionalen fuhren schließlich auch zu jeder vollen Stunde.

Der Kleine musste also weg. Am besten dort hin, woher er einst war. Zum lokalen Händler um die Ecke.
Doch leider war die Zeit nicht still gestanden, die automobile Welt entwickelte sich weiter. Katalysatoren, Einspritzanlagen, Fahrassistenzen wie ABS, ESP, MFG schlichen sich auf Must-Have Listen freudigen, zahlender Käufer. Das Interesse war gering für einen nun schon 25 Jahre alten, eckigen und merkwürdig, ja gar seltsam unspektakulären Wagen mit Kippschaltern im Innenraum und mechanischen Teilen unter der Haube, die fast keiner mehr zu verstehen scheint.

Also stand er da, abgemeldet, vergessen, verstaubt und auf den richtigen Moment wartend.
Zu diesem Zeitpunkt waren es gerade mal 46.000km, die der analoge Tachometer zeigte.

Und jetzt, heute, fast 27 Jahre später? Der Lack glänzt, der Motor säuselt, die Reifen sehen Asphalt.

Im letzten Jahr ware es alleine 20.000km ohne jeglichem Gedanken frühzeitiger Aufgabe. Denn hier spricht die Stimme des japanischen Kalküls und der, der sich seiner annahm.
Jeder Moment der Planung, jede Sekunde Konzeption und jedes Gespräch zwischen Ingenieur und Mechaniker, bis zur Vorstellung im Jahre 1982, haben genau auf diesen Moment hingearbeitet, dass jetzt, 30 Jahre nach Einführung des Micras noch immer jemand davon begeistert ist, wie dieses kleine Auto auf 12 Zoll großen Reifen um die Kurven sticht.

Schließe man die Augen, man wüsste nicht, dass fast drei Jahrzehnte ins Land gegangen sind und scheinbar ohne Spuren vorbeizogen.

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