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Amerika, Amerika

Höher, schneller, weiter.

Ich war noch niemals in NewYork.

Auch kann ich mich an meinen Besuch in den Staaten nur noch vage erinnern. Gut 20 Jahre ist das nun her. Aber eines weiß ich noch ganz genau. Dort gibt es überall alles in groß. In sehr groß.
Mächtige Häuser, riesige Straßen, fette Burger, dicke Menschen.
Natürlich auch große Autos und große Motoren. Dicke Straßenkreuzer bahnen sich ihren Weg durch die stickige Luft der amerikanischen Großstädte. Pickups transportieren Baumstämme und Beton von einer gigantischen Megabaustelle zur nächsten. Bullige Bauarbeiter hämmern, klopfen und bohren auf und in Stahlträger, so hoch, als könnte man den Mond damit erreichen. Gigantismus an allen Ecken und in jeder Richtung. Überall brüllt dich der Geschmack vom allmächtigen Egoismus entgegen. ICH ICH ICH will nach vorne. ICH ICH ICH will nach oben. Weiter, Höher, Schneller. Immer voran und immer besser und größer und mächtiger als alle anderen.
Es geht darum das existenzielle Extrem mit einem weiteren Superlativ zu übertrumpfen. Das Minimum hat keinen Platz neben dem allgegenwärtigen Maximum. Light trifft auf Maxi und verliert.

Motoren unter 3 Liter Hubraum werden höchstens für die private Gartenarbeit eingesetzt und gelten dort schon als Beleidigung. Benzin ist kein Rohstoff, sondern vielmehr die Luft zum Atmen. Es wird besorgt, was benötigt wird. Kein Mitleid und kein Blick in die Zukunft können verhindern, was hier passiert.

Der Drang nach vorne ist so groß, dass selbst Kurven ein Rückschritt sind. Drum gibt es sie schlichtweg auch kaum bis gar nicht. Denn selbst Motorräder haben Reifen, die bauartbedingt ausschließlich für den Vortrieb gedacht sind. Schräglage kennt der Amerikaner nicht. Die Nackenmuskulatur hält den Blick am Horizont, es scheint, als sei eine Drehung zur Seite genetisch schlichtweg nicht drin.
Bei den gigantischen, meist nur von einer Person benutzten, Automobilen schaut es nicht anders aus. Auch hier das selbe Bild. Es geht vorwärts, der Sonne entgegen und den Wind im Haar. Die Reifen kennen nur das Geradeaus und die Lenkung ist nur zur Zierde. Ein Lenkrad dient als Halterung der Handflächen.

Blech gilt als unendliches Material, mit dem man mit den wildesten Formen die wildesten Fahrzeuge bauen kann. Zeitloser Chic trifft auf atemberaubendes Kitsch. Heckflosse und Cokebottle gegen Spoiler und Chrome. Alles hat seine Berechtigung, alles wird gebaut. In gigantischen Stückzahlen und ohne Rücksitz auf was auch immer…

Die Amerikaner lieben ihre Karren. Und wir tun es auch. Der große Boom und die Jagd auf amerikanisches Altblech ist noch lange nicht um. Selbst die Mauerblümchen erwachen im neuen Frühling zu neuem Leben und wollen bewegt werden.
Der neue Trend heißt Ratstyle und hält immer mehr Einzug in sämtliche Schichten. Rattige, patinierte Karossen, zerrupftes Leder und zerkratzte Scheiben paaren sich mit piekfeinem Fahrwerk und bissiger Bremse. Die Technik muss begeistern, die Optik ist eher Nebensache. Putzen wird als Frefel angesehen und selbst Rost ist willkommen. Die dicken Blechen verzeihen mehr als man denkt und so wundert es den ahnungslosen Passanten, dass diese Schüssel dann doch mit aktuellem TÜV Stempel daherkommt.

Es scheint fast, als sind die Menschen in Amerika froh, dass der Export der Altware so wunderbar funktioniert. Gerade Deutschland entwickelt sich immer mehr zum Importmeister der texanischen Schrottplätze. Es wird verschifft und verzollt, bis gar nichts mehr da ist. Hinterhöfe und Scheunen sind leergeräumt und schon in den staubigsten Ecken ist die letze Schraube fein säuberlich verpackt und per UPS nach Bremerhafen gebracht. Den Deutschen freut es.
Endlich kann auch er das Gefühl der Freiheit auf verwinkelten Straßen des Schwarzwalds spüren. Endlich kann auch er mit rauchendem Colt durch den Freistaat blasen und von den ewigen Weiten träumen.

Weitere Alltagseisen

Fragen? Anregungen? Eine eigene Geschichte, die es wert ist erzählt zu werden, oder einfach nur ein paar schöne Fotos von altem Blech zur Hand? Schreibt ein paar Zeilen. Jederzeit.

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Gute Fahrt.