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Mercedes Benz 230E

Wenn Opa eine Reise tut

"Den Benz dort von meinem Nachbarn, den find ich ja ganz toll und schön und möchte ihn eigentlich kaufen, wenn ich groß bin." So oder so ähnlich war damals die Aussage von Freund J aus B, als wir als größere Kinder vor dem Opamercedes des Nachbarn standen.
Nur leider wollte der Nachbar den Opamercedes nicht verkaufen. Damals nicht, 10 Jahre später auch nicht und heute leider auch nicht. Aus der Traum. Zumindest von diesem einen Mercedes dort in der Garage (wo er übrigens immer noch steht).

Draußen auf der Straße stand auch immer schon ein 123er. In braun und etwas rostig. Dieser hatte damals mal eine offene Motorhaube und für uns war es ganz spanned, dort reinzuschauen.
Mittlerweile steht er immer noch dort. Der Rost hat zugenommen, das Braun ist ausgeblichen und die Blumen und Büsche drum herum haben den Wagen fast schon eingefangen.
Ein Stück weiter steht heute ein 280 SLC, auch dieser ist etwas verloddert und hat einen Überschuss an Patina, den man auch schlicht als Gammel bezeichnen kann.

Aber warum ich davon erzähle? Weil wir gerade jetzt mit einem anderen Benz dort steht, wo alles in gewisser Weise angefangen hat. Wir fahren nämnlich einen schneeweißen Mercedes Benz 230E aus dem Jahre 1991 – Stop, Ja, kein richtiger Oldtimer (jaja...), aber tief im Herzen seiner Konstruktion doch ein Held der 80er - in einem erstaunlich guten Zustand, mit toller blauer Innenausstattung und dem Gefühl von "Hier bin ich Zuhause". Ein Gefühl, das unsere Heimatminister so vermutlich noch nicht mal kennt oder längst vergessen hat.

Hier stehen wir also und atmen tief ein. Wir riechen den alten Stoff, fühlen das alte straffe Polster und haben nicht das Gefühl in einem Auto mit fast 30 Jahren zu sitzen. Viel mehr fühlt es sich an, als wäre der Wagen nur so ein klein bisschen in die Jahre gekommen. Aber nicht verlebt, nicht verbraucht. Einfach ein gutes Stück Technik, was passt wie angegossen, aber doch aus einer anderen Zeit stammt.
Vielleicht kann man behaupte, dass dies der letzte echt Mercedes ist. Der letzte Benz sozusagen. Einer, nach dem nichts besser wurde. Runder, ja. Schnell, auch. Vielleicht auch sportlicher und vielleicht auch eleganter. Sicherlich. Aber nicht besser.
An diesem 230E stimmt einfach alles. Die Türen fallen mit einem satten "Bapp" ins Schloss. Die Türgriffe bedienen sich ausreichend fest und das Lenkrad liegt ruhig in der Hand wie bei einem Ozeandampfer auf stiller See.
So muss es sich anführen, wenn man eine Lokomotive im Kreis herum lenkt. So unbeirrbar rollt sicher auch ein Jumbojet auf dem Rollfeld umher. So satt kann nur Mercedes. So gut konnte nur Mercedes.
Aber wir wollen nicht schimpfen, wie es heute ist, wir wollen Spaß daran haben und staunen, wie gut das Gestern im Heute noch funktioniert.
Es ist beinahe gruselig mit welcher Genauigkeit und welchem Aufwand dieses Fahrzeug gebaut worden ist.
Hier ist jedes Bauteil, jeder Schalter und jeder Heben wohl überlegt und von einem Ingenieur auf perfekte Weise gebaut, dass es egal ist, ob der Wagen nun 50.000, 100.000 oder 600.000 Kilometer gefahren ist. Alles passt, allso funktioniert und zwar so gut und so präzise, wie damals das Maß der Dinge gewesen ist.

An einem Mercedes aus dieser Zeit ist nie etwas auszusetzen. Hier sind keine Sicken, die eine Designsprache sprechen, die keiner außerhalb der Designabteilung versteht. An einem Mercedes aus dieser Zeit ist nichts verbaut, was den Wagen unnötig unbedienbar macht. An einem Mercedes aus dieser Zeit ist nur das gemacht, was im Windkanal auch wirklich Sinn ergibt.
Dynamik, ja bitte. Aber auch so, wie es unbedingt nötig ist. Eleganz und Kraft vereint schon im Stand. Wir reden hier von höchster Zeitlosigkeit.

Wir reden hier aber auch von einem Wagen, wie er weitverbreitet noch immer an fast jeder Ecke steht. Entweder als ehemaliges Taxi, als Familienwagen, als Urlaubsshuttle in ferne Länder und zurück. Hin und wieder geadelt mit einem H auf der Nummerntafel. Ab und an gepflegt und vom Opa irgendwo in einer Garage untergestellt. Die Zeit der großen Benze aus dieser Zeit ist noch nicht so ganz da. Aber sie mag gerade beginnen. Und bald auch wieder vorbei sein. Und das ist auch gut so.

Und genau daraum hat Freund J aus B auch diesen Opamercedes von Herrn M aus M gekauft. Denn dieser Opamercedes gehörte dessen Opa und war stehts von kundiger Hand gepflegt, gewaschen und immer mit Hingabe behandelt worden. Denn die Herren J und M wussten und wissen ganz genau, was sie hier vor sich haben.
Einen Opamercedes. Den letzten seiner Art und vermutlich den letzten, der noch den Klassikerstatus erreichen wird.

Weitere Alltagseisen

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